Thursday, 26.03.2009
19:00h
100 Jahre Tel Aviv:
Die neue hebräische Kultur und
ihre visuelle Repräsentation
Im Jahre 1909 wurde vor den Toren der arabisch dominierten Hafenstadt Jaffa der Grundstein für die zukünftige Stadt Tel Aviv gelegt. Die Gründung war Teil der Bemühungen um den Aufbau einer jüdischen Gesellschaft im "Land Israel", wie sie der Zionismus als jüdische Nationalbewegung anstrebte. Ausgehend von der Erosion der traditionellen Religiosität, der Bedrängung der Juden im zaristischen Russland und der tiefen Krise der Aufklärung in Westeuropa formulierte der Zionismus die Notwendigkeit einer radikalen Erneuerung jüdischer Kollektividentität nach dem Muster des europäischen Nationalismus. Im Laufe der 1920er Jahren etablierte sich Tel Aviv mit der zunehmenden jüdischen Einwanderung ins mittlerweile unter britischer Verwaltung stehende Palästina als urbanes Zentrum einer neuen jüdischen Gesellschaft und Kultur – als "erste hebräische Stadt der Moderne".
100 Jahre Tel Aviv
Die visuelle Repräsentation des nationalen Aufbaus war in seinen Anfängen inhaltlich und formal stark von einem romantischen Orientalismus geprägt. Zu Beginn der 1930er Jahre ist allerdings ein deutlicher Bruch mit dieser Vorstellungswelt auszumachen: Parallel zu dem sich verschärfenden jüdisch-arabischen Konflikt und der nach 1933 einsetzenden Einwanderungswelle aus Mitteleuropa erfolgte auf verschiedenen Ebenen eine Hinwendung zu den ästhetischen Prinzipien der klassischen Moderne. In Tel Aviv entstand in diesen Jahren eines der bedeutendsten Ensembles von Bauten im "International Style", das als solches 2003 ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Neben der Architektur fand die Hinwendung zum "Neuen" ihren Niederschlag aber auch in einer radikal-modernistischen hebräischen Typografie als direktem visuellem Ausdruck der erneuerten hebräischen Sprache und Kultur.
Der Vortrag beleuchtet anhand von historischem Bildmaterial den kulturrevolutionären Impuls des zionistischen Projekts in seiner formativen Phase vor Gründung des Staates Israel.
Im Rahmen von Forum KK.
Monday, 27.04.2009
19:00h
Das internationale (Medien-) Kunstprojekt "Revue OU" wird zwischen 1964 und 1974 in Form eines Periodikums mit Schallplatte vom französischen Künstler, Lautpoeten und Publizisten Henri Chopin (1922–2008) als Nachfolge des experimentellen Poesie-Magazins "Cinquième saison" herausgegeben. In diesen "multimedialen" Kompendien bündeln sich Impulse des Lettrismus* und der Konkreten Kunst der 1950er Jahre zu einer einflussreichen, aber bisher wenig aufgearbeiteten Avantgardebewegung.
Henri Chopin, Why
Die "Revue OU" bildet einen subversiven Knotenpunkt der Nachkriegs-Avantgarde, welche in verschiedenen Medien (Zeitschrift, Poster, Schallplatte), mit eigenwilligen Techniken (wie Montage, Collage und Cut-up) und durch die Abkehr von Narration und Sinnkonstruktion eine eigene Sprache der Abstraktion und Dekonstruktion entwickelt. Die "Revue OU" mit der jeweils beiliegenden Schallplatte wird gleichsam zur Anthologie der zu dieser Zeit erstarkenden "Poésie sonore" (zu deutsch "Lautpoesie" oder "Klangpoesie"), welche sich explizit auf die Lautgedichte des Dada (von Ball, Hausmann, Schwitters) bezieht. Die Ausgaben enthalten Beiträge von Bernhard Heidsieck, Paul de Vree, Sten Hanson, Ake Hodell, Hugh Davies, Bob Cobbing, François Dufrêne, John Cage, Tom Phillips, Michel Seuphor, Ben Vautier, Jiří Kolář, William S. Burroughs, Brion Gysin, Annea Lockwood und anderen.
In seinem Vortrag mit Ton- und Bildbeispielen zeigt Marc Matter einige charakteristische visuelle und akustische Beispiele aus der "Revue OU", sowie weitere Arbeiten von Henri Chopin (visuelle Poesie und Lautpoesie, Zeichnung, Typografie).
* Der Lettrismus, 1945 von Isidore Isou in Paris begründet, machte es sich zur Aufgabe – inspiriert durch Dadaismus und Surrealismus – Sprache als Sinnzusammenhang zu dekonstruieren, und stattdessen Buchstaben und Sprache als sinnfreie Elemente zu etablieren.
K.K. Forum C.C.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK am Corner College Zürich, unter der Leitung von Michael Hiltbrunner.
Thursday, 23.07.2009
19:00h
Spielobjekte: Geschichte einer künstlerischen Innovation,
1945 bis 1975
Das Spielobjekt aus variablen Elementen, die vom Betrachter verschieden zusammengesetzt werden können, wurde als eigene, neue Form der konstruktiven, konkreten oder kinetischen Kunst bisher kaum wahrgenommen. Dies verwundert umso mehr, als dass um 1970 ein regelrechter Spielobjekt-Boom in der Kunstwelt zu verzeichnen ist, der sich selbst im Schaffen namhafter Künstler wie Max Bill oder Victor Vasarely widerspiegelt.
Ihre Anfänge hat diese Kunstform um 1945. Nach Pionierjahren, die insbesondere in der Schweiz ihren Ausdruck finden, setzt gegen 1960 in diversen Ländern wie in Italien, West-Deutschland oder Brasilien eine rasant anwachsende Spielobjekt-Produktion ein. Spätestens zur Mitte der 1970er Jahre bricht diese jedoch aus verschiedenen Gründen fast vollständig zusammen.
Karl Gerstner: Das tangentiale Exzentrum, 1956/1957
Im Rahmen seines bebilderten Vortrags zeichnet Frederik Schikowski die Ursachen für den imposanten Aufstieg und rasanten Fall dieser zu Unrecht übersehenen Kunstform nach. Dabei werden verschiedene Aspekte, wie die Rolle Zürichs, die Idee des "Multiples", der Einfluß der Informationsästhetik oder das für die Geschichte des Spielobjekts ambivalente Jahr 1968 thematisiert. Entsprechend dem Vortragsort wird dabei der Schwerpunkt auf dem Spielobjekt Schweizer Provenienz liegen.
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K.K. Forum C.C.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur am Corner College Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW), unter der Leitung von Michael Hiltbrunner.
Monday, 31.08.2009
19:00h
Das Anfangs der 1920er Jahre vom Russen Lev Termen entwickelte Theremin hat sich zu einem festen Bestandteil in der Musik entwickelt. Die klanglichen Möglichkeiten dieses eigentlich banalen Geräts, die sowohl an Geige, singende Säge, oder menschliche Stimme erinnern können, werden aber nur selten erforscht.
In den 1930er Jahren gab es für das Theremin und verwandte Instrumente wie die französische Ondes Martenot zahlreiche Stücke von Komponisten wie Joseph Schillinger, Arthur Honegger oder Percy Grainger. Später folgten Hollywood-Filmkomponisten wie Miklós Rózsa oder Bernhard Herrmann. Zwar sind "Ätherklänge" mittlerweile auch in der Popmusik fest verankert, doch viele der frühen Werke werden kaum mehr aufgeführt. Einen weiterhin experimentellen Zugang, wie ihn John Cage für das Theremin forderte, findet sich etwa bei der Interpretin Pamelia Kurstin oder dem Künstler Gordon Monahan.
Dieser Zugang ist auch für Lena Willikens das eigentlich spannende am Theremin mit seinem schwebenden und kaum kontrollierbaren Klang. Nach ihrer Einführung mit Bild- und Tonbeispielen wird sie zusätzlich live Theremin spielen.
Lena Willikens live, 2009
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur am Corner College Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW), unter der Leitung von Michael Hiltbrunner.
Saturday, 19.09.2009
19:00h
Vom Beichtstuhl zur Couch
Psychologisierung religiöser Praxis im 19. Jahrhundert
"Von welchen Sternen sind wir uns hier einander zugefallen" sind Friedrich Nietzsches oft wiedergegebene erste Worte an Lou Salomé im römischen Petersdom. Weniger Beachtung fand bisher, dass diese vor einem Beichtstuhl gesprochen wurden, welcher laut Lou Salomé der geistigen Arbeit Feuer und Frömmigkeit zu verleihen vermochte. Dieser Beichtstuhl im Zentrum des Katholizismus wird zum Ort verklausulierter Liebeserklärungen, zur Schreibunterlage und zur Inspiration antichristlichen Denkens – und dadurch zum Sinnbild der Säkularisierung im Zeitalter des wissenschaftlichen Materialismus.
Nietzsches Entwurf einer Psychologie des Gläubigen in Der Antichrist stellt einen wichtigen Schritt innerhalb des Säkularisierungsprozesses der Moderne dar. Seine Argumentation unterläuft dabei der Gefahr der Konterdependenz von Glaube und Wissenschaft, während die frühe Psychoanalyse religiöse Praxis als zwangsneurotisches Verhalten und kulturellen Atavismus ablehnt. Ähnlichkeiten und Berührungspunkte zwischen religiöser Beichte und therapeutischer Redekur werden auf diese Art ausgeblendet.
Der Vortrag beleuchtet die Psychologisierung religiöser Praxis im Säkularisierungsprozess des 19. Jahrhunderts anhand der Entwicklung von der Beichte zur Therapie. Untersucht wird dieser Umschlag vom Beichtstuhl zur Couch am Körper des Beichtenden, an welchem ein gesellschaftlicher Disziplinierungsvorgang, wie ihn Foucault beschreibt, sichtbar wird.
Maddalena penitente. Marmor, 90 cm, 1793–1796, Museo di Sant'Agostino, Genua.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur am Corner College Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW), unter der Leitung von Michael Hiltbrunner.
Sunday, 22.11.2009
19:00h
How Riley Re-Invented Repetition
Structural repetition in US-American avant-garde and experimental music around 1950 was considered a taboo: Cageian open forms as well as serial twelve-tone rows clearly forbade it. A radical gesture can be found in La Monte Young’s Fluxus-influenced X for Henry Flint (1960), but the kind of repetition used in it cannot be considered a proper compositional technique.
Terry Riley, Studio Session, Copenhagen, 1970
It was Terry Riley who started to work with looping and delay techniques offered by the tape recorder, first present in the tape collage Mescalin Mix (1961). At the same period he also experimented with new forms of assembling recorded material that anticipates the practice of remix (Music for “The Gift”). With In C (1964), these techniques are transferred to the instrumental work, an abstract move between two ontologically distinct realms: the mechanical and the instrumental. Its impact is integral to the understanding of the later American musical minimalism, including the works of Steve Reich and Philip Glass.
In his illustrated and sonorous presentation (in English), Johan Girard shows Riley’s pioneering and the further development of the use of repetition in experimental music after him.
K.K. Forum C.C.
The presentation is part of the series Forum KK for research in art and culture, directed by Michael Hiltbrunner, at the Corner College Zurich in cooperation with the Swiss Society for Cultural Studies (SGKW).
Sunday, 14.03.2010
19:30h
Die Brühlbebauung in Leipzig.
Eine städtebauliche Vision der DDR und ihr Ende
Fassade am Gebäudekomplex Brühl in Leipzig
Die Leipziger Architekten und Städtebauspezialisten Bernhard Tatter und Christian Kuegler halten einen Vortrag zum Umgang mit dem städtebaulichen Erbe aus DDR Zeiten. Beispielhaft stellen sie hierfür das 1966–68 erbaute Leipziger «Brühlprojekt» vor, dabei handelt es sich um ein Plattenbauensemble im Stadtzentrum von Leipzig, welches mittlerweile abgerissen wurde und nun durch ein Shopping-Mall ersetzt wird.
http://www.denkenbauenwohnen.de
K.K. Forum C.C.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Corner College mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW), sonst am Corner College vertreten mit der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur
Tuesday, 07.09.2010
19:30h
SCHALLPLATTEN-COVER: WISSENSWERTES & ANEKDOTISCHES
Präsentation mit Tonbeispielen
Chris Cutler gründete 1978 in London das Label Recommended Records (ReR) als Plattform für politische und experimentelle Musik aus dem Umfeld von Rock in Opposition (RIO). Auf dessen Anregung starteten 1979 Veit Stauffer und Daniel Waldner RecRec Zürich als Musikvertrieb, organisierten ab 1980 Konzerte, gründeten 1981 den RecRec Laden und 1983 das RecRec Label. Nach einer turbulenten und bewegenden Geschichte hat sich der RecRec Laden erhalten und unter der Leitung von Veit Stauffer zu einem Knotenpunkt verdichteten musikalischen Wissens entwickelt.
Veit Stauffer im Passagenhaus in Dalvazza/KĂĽblis, GraubĂĽnden, April 2010
Meilensteine aus der Geschichte dieser Musik präsentiert Veit Stauffer nach Auftritten in Baden (Aargau) und Dalvazza/Küblis (Graubünden) nun auch im Corner College. In spontaner Reihenfolge gibt es Covers von Künstlern, rare Singles mit Bildhüllen, Tonträger malender Musikerinnen (oder musizierender Maler), herausragende Musikerinnen, stilprägende 1980er-Jahre-Covergestalter, wie auch witzige Beispiele (unbewusster) konkreter Poesie.
K.K. Forum C.C.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur am Corner College Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW), unter der Leitung von Michael Hiltbrunner.
Tuesday, 05.10.2010
19:00h
"Es ist eine Handlung, die innerhalb gewisser Grenzen von Zeit, Raum und Sinn verläuft, in einer sichtbaren Ordnung, nach freiwillig angenommenen Regeln, ausserhalb der Sphäre materieller Nützlichkeit oder Notwendigkeit. (...) Die Handlung wird von Gefühlen der Erhebung und Spannung begleitet und führt Fröhlichkeit und Entspannung mit sich."
Johan Huizinga, 1938
Surrealist Games
Immer wieder tauchen in den unterschiedlichsten künstlerischen und gesellschaftlichen Kontexten Spiele oder spielerische Ansätze auf. Diese (nach) zu spielen, dafür fehlt aber oft die Zeit, der Raum, die Musse. Frei nach Schillers Ausspruch "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt" können beim Spieleabend im Corner College, veranstaltet von Michael Hiltbrunner und Andrea Portmann, verschiedene solche Spiele in illustrer Gesellschaft ausprobiert und diskutiert werden.
Gespielt wird von 19 bis 21 Uhr.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Forum KK für Forschung in Kunst und Kultur am Corner College Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften (SGKW).
Monday, 27.05.2013
19:00h
Aktion des Komponisten Hans-Joachim Hespos in der Reihe "Kunst die Wissen schafft" der Hasena, Dalvazza 2006
Anlässlich der Aufarbeitung des Archivs der Hasena, welches kürzlich einen erstem Stopp in der Ausstellung "serge stauffer – kunst als forschung" im Helmhaus Zürich hatte, sprechen die Teilnehmenden über "die Hasena". Dieses Institut, gegründet 1981 von Peter Trachsel, ist ein unabhängiger Kunstraum, ein Salon, ein offenes Gästehaus, ein interdisziplinäres Experimentierlabor, seit 1987 situiert im Prättigau (Graubünden). Die Hasena manifestiert sich in den Worten von Kathrin Gantenbein in "unterschiedlichsten Topographien als öffentlicher Raum, in dem Frei- und QuerdenkerInnen jeglicher Couleur ihre Feldforschungsresultate, Versuchsanordnungen, Visionen und Utopien zur Diskussion stellen."
Ein Gespräch mit Elisabeth Blum, Julie Harboe, Birgit Kempker und Stephan Kunz. Moderation Michael Hiltbrunner. Mit einer Einführung in das Archiv der Hasena von Birgit Kempker.